Rotes Meer: Lieferketten erneut gefährdet

Mehr als drei Dut­zend Angrif­fe yeme­ni­ti­scher Ansarollah-Milizen („Hut­hi“) auf Schif­fe im Roten Meer haben den inter­kon­ti­nen­ta­len See­han­del seit Mit­te Novem­ber getrof­fen. Angeb­lich kon­zen­trie­ren sich die Angrif­fe auf Schif­fe mit Fracht von und nach Isra­el, um so die Paläs­ti­nen­ser in Gaza zu unter­stüt­zen. Tat­säch­lich waren auch Schif­fe mit ande­ren Ausgangs- oder Ziel­hä­fen bereits betroffen. 

Mitt­ler­wei­le haben mehr als 2000 Han­dels­schif­fe zwi­schen Asi­en und Euro­pa den zeit­auf­wän­di­ge­ren und teu­re­ren Umweg um das Kap der Guten Hoff­nung gewählt. Die durchs Rote Meer und den Suez­ka­nal trans­por­tier­ten Fracht­men­gen sind ent­spre­chend dras­tisch ein­ge­bro­chen. Ob auch die mili­tä­ri­schen Atta­cken ins­be­son­de­re der USA und Groß­bri­tan­ni­ens – die EU will sich ja eben­falls betei­li­gen – zu die­ser Ent­wick­lung bei­getra­gen haben, ist offen.

Ende vori­ger Woche berich­te­te die Agen­tur Reu­ters, chi­ne­si­sche Offi­zi­el­le sei­en in Tehe­ran vor­stel­lig gewor­den und hät­ten „gebe­ten, bei der Ein­däm­mung der Angrif­fe der vom Iran unter­stütz­ten Hut­his auf Schif­fe im Roten Meer zu hel­fen“; andern­falls könn­ten die Geschäfts­be­zie­hun­gen mit Peking gefähr­det wer­den. Anonym blei­ben­de ira­ni­sche Quel­len sol­len dies an Reu­ters berich­tet haben, auf Anfra­ge der Agen­tur habe das chi­ne­si­sche Außen­mi­nis­te­ri­um der­lei bis­lang aber nicht bestä­tigt. Unwahr­schein­lich klingt die Infor­ma­ti­on nicht, schließ­lich sind erheb­li­che Tei­le des See­han­dels zwi­schen Euro­pa und Ost­asi­en, also auch Chi­nas, betrof­fen – klar, dass eine Beein­träch­ti­gung die­ses Waren­aus­tauschs in Peking nicht gern gese­hen wird. Ande­rer­seits ist die Volks­re­pu­blik – mit deut­li­chem Han­dels­bi­lanz­über­schuss – Irans größ­ter Han­dels­part­ner, also in star­ker Position.

Die Ansarollah-Attacken haben auf der wich­ti­gen Han­dels­rou­te zwi­schen Asi­en und Euro­pa die Trans­port­kos­ten mas­siv in die Höhe getrie­ben: Sehr viel dras­ti­scher als der vor knapp drei Wochen hier zitier­te See­fracht­ra­ten­in­dex SCFI drück­te das Ende ver­gan­ge­ner Woche der World Con­tai­ner Index (WCI) des Ana­lys­ten Dre­wry aus – das Lon­do­ner Unter­neh­men bezif­fer­te die Raten für einen 40-Fuß-Container auf der Rou­te Schanghai-Rotterdam aktu­ell auf 4984 US-Dollar, Ende Okto­ber vori­gen Jah­res sei­en es noch rund 1000 Dol­lar gewesen.

Die Umwe­ge um das Kap der Guten Hoff­nung stö­ren die nach der Pan­de­mie müh­sam wie­der her­ge­stell­te Lieferketten-Zuverlässigkeit. Wäh­rend Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grü­ne) vor rund zwei Wochen beim Welt­wirt­schafts­fo­rum in Davos die Ver­zö­ge­run­gen noch abtat mit den Wor­ten: „Alle sagen mir, das renkt sich wie­der ein“, hat Elek­tro­au­to­bau­er Tes­la in Bran­den­burg jetzt die Pro­duk­ti­on vor­erst dras­tisch her­un­ter­ge­fah­ren, weil benö­tig­te Bau­tei­le fehl­ten. Wei­te­re der­ar­ti­ge Mel­dun­gen wer­den ver­mut­lich in Kür­ze fol­gen, das arbeit­ge­ber­na­he Insti­tut der deut­schen Wirt­schaft (IW) kon­sta­tier­te jüngst bereits für die NRW-Wirtschaft, dass 90 Pro­zent der Fir­men anhal­ten­de Lie­fer­stö­run­gen erwarteten.

Zudem darf auch bezwei­felt wer­den, dass die Ver­brau­cher eine jet­zi­ge Ver­fünf­fa­chung der Trans­port­kos­ten – sie­he oben – nicht in den kom­men­den Mona­ten im Porte­mon­naie spü­ren wer­den. Habeck soll in Davos zwar beschwich­tigt haben, die Trans­port­kos­ten spiel­ten kei­ne so gro­ße Rol­le, dass es mas­si­ve Pro­ble­me geben wer­de. Laut Bloom­berg indes haben bri­ti­sche Super­markt­ket­ten bereits auf das Risi­ko höhe­rer Prei­se hingewiesen.

Logis­tik­ex­per­ten erwar­ten deut­li­che Schwie­rig­kei­ten schon in Kür­ze: Chi­nas bevor­ste­hen­des Neu­jahrs­fest führt tra­di­tio­nell zu erhöh­tem Fracht­auf­kom­men und Kapa­zi­täts­eng­päs­sen – und genau das berei­tet Sor­gen. Die Schiff­fahrt, so das Por­tal HANSA, müs­se auf Umlei­tun­gen und Ver­spä­tun­gen mit Ein­satz zusätz­li­cher Ton­na­ge reagie­ren: Das sei nicht unbe­dingt effi­zi­ent, aber nur so sei­en die Fahr­plä­ne eini­ger­ma­ßen ein­zu­hal­ten. Dre­wry erwar­tet daher Staus, ver­stopf­te Häfen, Container-Knappheit und unsi­che­re Zeitpläne.

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WATERKANT-Redaktion