Die Australian Marine Conservation Society (AMCS), größte Meeresschutzorganisation des fünften Kontinents, hat eigentlich allen Grund, richtig sauer zu sein – dennoch befleißigt sie sich einer ausgeprägten Höflichkeit: „Liebe K+S AG“, titelt sie auf einer Plakatserie, mit der sie seit Anfang dieses Monats die Innenstadt von Kassel übersät hat: „Bitte stoppt die Pläne für euer riesiges Salzwerk.“
Adressat des eindringlichen Appells ist der in der nordhessischen Metropole ansässige Bergbaukonzern, der früher – eindeutiger – als Kali + Salz AG firmierte und sich Anfang der 1990er mit Hilfe der Treuhand auch den gesamten Salzbergbau der einstigen DDR einverleiben durfte. Aktuell zählt K+S zu den weltgrößten Kali-, Salz- und Düngemittel-Produzenten; in Deutschland selbst ist der Konzern vor allem in der Werra-Weser-Region seit langem umstritten wegen seiner Förder- und Abwässerpraktiken, die er, wenngleich damals vergeblich, vor zehn Jahren auch schon bis zum Wattenmeer auszudehnen versucht hatte.
Anlass der Plakatkampagne der AMCS ist der Plan von K+S, in Nordwestaustralien in einem großflächigen Projekt Salz aus Meerwasser zu gewinnen: In riesigen offenen Becken soll Salzwasser unter Sonneneinstrahlung verdunsten, das Vorhaben ist seit 2016 vorbereitet worden und steckt derzeit in der konkreten Genehmigungsphase. Zwar wirbt K+S vor Ort mit Arbeitsplätzen und Förderung umliegender Gemeinden – nur hat die ganze Sache einen wesentlichen Haken: Das Gebiet, in dem die Solarsalzanlage entstehen soll – es wäre etwa so groß wie ein Drittel von Berlin – liegt am Exmouth Gulf, einer Meeresbucht, die im Norden in den Indischen Ozean mündet und im Westen durch die Landzunge Exmouth von diesem getrennt wird. Zum einen erstreckt sich ozeanseitig vor dieser Landzunge bis zu deren Spitze das Meeresschutzgebiet Ningaloo Coast, das zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt. Zum anderen aber hat das Welterbe-Komitee dieser UN-Organisation schon vor Längerem vorgeschlagen, die Meeresbucht selbst in dieses Naturerbe einzubeziehen. Eine Genehmigung der K+S-Anlage würde folglich einem Affront der UNESCO gleichkommen.
Marine Tierwelt in Gefahr
Das Schutzgebiet Ningaloo Coast ist laut AMCS vor allem geprägt durch das gleichnamige Korallenriff, das für seine Wale und Walhaie berühmt sei. Es grenzt an den Cape Range National Park, der sich über die westliche Seite der Landzunge erstreckt, nebenan liegen Einrichtungen der Air Force sowie einer, so der Anspruch, Öko-Tourismuswirtschaft. Über Süd- und Ostufer der Bucht aber erstreckt sich eines der letzten tideabhängigen Feuchtgebietssysteme: Es bietet wichtige Lebensräume und Nährstoffe, die das marine Nahrungsnetz im Golf und damit dessen berühmte Tierwelt stützen – darunter die vom Aussterben bedrohten Sägefische und Schaufelrochen sowie Schildkröten, Dugongs, wichtige Fischarten und wandernde Küstenvögel.
Am nordöstlichen Rand der Bucht soll nun in einem Teil dieses riesigen und seit langem ungestörten Feuchtgebiets die K+S-Salzgewinnung eingerichtet werden. Laut Auffassung der AMCS bedeutet das unannehmbare Risiken für die empfindliche Umwelt und die vielen bedrohten Arten. Vor Jahren sei ein ähnliches Salzprojekt im selben Feuchtgebiet schon einmal gescheitert, betont die Organisation – und appelliert an K+S, seine Planungen und Anträge zurückzuziehen. Der Konzern hat zwar ökologische Rücksichtnahme zugesagt; hat jedoch auch behauptet, weniger empfindliche Standorte geprüft, aber keine geeigneten gefunden zu haben. Was die hiesige Werra-Weser-Anrainerkonferenz (WWA), die seit langem schlechte Erfahrungen mit der Glaubwürdigkeit von K+S machen musste, mit den Worten kommentiert: „Wir vermuten, dass dort die Grundstückspreise weniger günstig waren.“
Die AMCS setzt nun ihre Hoffnung, unterstützt von einem von mehr als 15.000 Menschen getragenen Appell, auf Westaustraliens Regionalverwaltung in Perth sowie die Bundesregierung in Canberra. Ende 2024 wird eine Entscheidung erwartet.