Laschen: Gericht verweigert Tarifrecht

Ein Rot­ter­da­mer Gerichts­ur­teil hat kürz­lich den lang­jäh­ri­gen Streit um die Ladungs­si­che­rung an Bord von Fracht­schif­fen erneut in den Fokus öffent­li­cher Auf­merk­sam­keit gerückt: Das Gericht wei­ger­te sich, einen Schiffs­eig­ner per einst­wei­li­ger Anord­nung zur Ein­hal­tung gel­ten­den Tarif­rechts zu ver­pflich­ten – der kon­kre­te Streit­fall wird somit bis zu einer Haupt­ver­hand­lung vertagt. 

Die Inter­na­tio­na­le Transportarbeiter-Föderation (ITF) als glo­ba­le Dach­ge­werk­schaft auch der mari­ti­men Wirt­schaft pro­tes­tier­te ent­schie­den und kün­dig­te ver­schärf­ten Wider­stand an: Es gehe um nichts weni­ger als einen Tarif­bruch, der die Gesund­heit von See­leu­ten und die Sicher­heit von Schif­fen gefähr­de. – Ende Febru­ar 2018 hat­ten sich im phil­ip­pi­ni­schen Mani­la mari­ti­me Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber auf einen inter­na­tio­na­len Rah­men­ta­rif­ver­trag für See­leu­te ver­stän­digt, der unter ande­rem jenen Streit been­den soll­te, ob „Laschen“ Hafen­ar­bei­tern zu über­las­sen ist oder aus Kosten- und Zeit­grün­den auch See­leu­ten auf­ge­tra­gen wer­den darf. Anfang die­ses Jah­res ist die­ser Tarif­ver­trag in Kraft getre­ten und mit ihm die so genann­te „dockers‘ clau­se“, eine Klau­sel, die die­se Arbeit nun klar regelt.

Zur Erin­ne­rung: „Laschen“ ist der Fach­be­griff für das Ver­zur­ren und Sichern bezie­hungs­wei­se Los­ma­chen von Ladung an Bord von im Hafen lie­gen­den Schif­fen. Es ist eine Tätig­keit für kör­per­lich geeig­ne­te und ver­sier­te Fach­kräf­te mit ent­spre­chen­dem Equip­ment. Zwar gehört Laschen prin­zi­pi­ell auch zur see­män­ni­schen Aus­bil­dung, aber welt­weit strei­ten Gewerk­schaf­ten dafür, dies spe­zi­ell aus­ge­bil­de­ten Hafen­ar­bei­tern zu über­tra­gen – dabei geht es nicht allein um Erfah­rung und Aus­rüs­tung, son­dern vor allem soll den Schiffs­be­sat­zun­gen so ihre Erho­lung wäh­rend der Hafen­lie­ge­zei­ten garan­tiert wer­den. Die Tarif-Klausel schreibt daher vor, dass Mann­schaf­ten sol­che Arbei­ten nur aus­nahms­wei­se aus­füh­ren dür­fen: Falls in einem bestimm­ten Hafen zu einem bestimm­ten Ter­min nicht genü­gend qua­li­fi­zier­te Hafen­ar­bei­ter zur Ver­fü­gung ste­hen und falls die loka­le Gewerk­schaft der Aus­nah­me zustimmt, dür­fen See­leu­te – sofern sie über ent­spre­chen­de Qua­li­fi­ka­ti­on ver­fü­gen – die Auf­ga­be frei­wil­lig über­neh­men, müs­sen dafür aber ange­mes­sen ent­schä­digt werden.

Die Pra­xis sieht anders aus. Vie­le Ree­der und Schiffs­eig­ner – ins­be­son­de­re im so genann­ten Feeder-Verkehr, der Fracht von gro­ßen Transkontinental-Schiffen in klei­ne­re Lokal-Häfen ver­teilt – set­zen sich über den Tarif­ver­trag hin­weg und las­sen ihre Besat­zun­gen Ladungs­tei­le (wie etwa Con­tai­ner) sichern oder ent­si­chern, um Lade- und Lösch­zei­ten zu ver­kür­zen und dadurch Kos­ten zu spa­ren; zum Teil geschieht das, obwohl aus Sicher­heits­grün­den ver­bo­ten, sogar noch wäh­rend der Fahrt zu oder von den Häfen. Der Branchen-Onlinedienst „Con­tai­ner News“ berich­te­te jüngst unter Beru­fung auf Anga­ben der ITF über kon­kre­te Bei­spie­le: So hät­ten See­leu­te der bri­ti­schen Bor­chard Lines – das Unter­neh­men „fee­dert“ im Mit­tel­meer­raum sowie zwi­schen west­li­chen Nordsee- und medi­ter­ra­nen Häfen – sich beschwert, in meh­re­ren west- und süd­eu­ro­päi­schen, aber auch in israe­li­schen Häfen zu Lasch­ar­bei­ten gezwun­gen wor­den zu sein: unfrei­wil­lig, über­mü­det, mit unbe­zahl­ten Über­stun­den und unter teil­wei­se ris­kan­ten Bedin­gun­gen. Ende 2019 kam es auf einem Borchard-Schiff auf See zum Ein­sturz eines offen­bar unsach­ge­mäß gelasch­ten Con­tai­ner­sta­pels, zum Glück wur­de nie­mand ver­letzt. Immer wie­der aber pas­sie­ren Unfäl­le, teils auch mit töd­li­chem Aus­gang, wie etwa in Kana­da im Mai die­ses Jahres.

Im kon­kre­ten Rot­ter­da­mer Fall geht es um eine Kla­ge der ITF und wei­te­rer Gewerk­schaf­ten gegen das nie­der­län­di­sche, in Zypern regis­trier­te Unter­neh­men Mar­low Navi­ga­ti­on, das per Gericht zur Tarif­treue gezwun­gen wer­den soll. Als Reak­ti­on auf die­se Anfang Juni ein­ge­reich­te Kla­ge hat­te Mar­low gemein­sam mit meh­re­ren Feeder-Reedereien – dar­un­ter auch deut­schen – eine Wettbewerbs-Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die „dockers‘ clau­se“ ein­ge­reicht; eine Ent­schei­dung dar­über steht aber noch aus.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Tex­tes erscheint am 8. Sep­tem­ber 2020 in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“.

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WATERKANT-Redaktion