Von Reinhard Knof **
Seit Jahren tobt in Norddeutschland ein Streit um die Frage, ob Flüssiggas-Terminals als Anlande- und Verteilstation für verflüssigtes Erdgas – überwiegend aus Fracking-Prozessen in den USA – benötigt werden beziehungsweise zulässig sind (1). Drei Standorte waren im Gespräch: Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven. Letzterer scheint mangels Nachfrage vorerst erledigt, an der Elbe hingegen ringen massiver politischer Druck und zäher Widerstand um die hochsubventionierten Planungen.
An der Jade hat sich Ende vergangenen Jahres der deutsch-finnische Uniper-Konzern, der einen LNG-Terminal mit Pipeline zum Erdgasspeicher im friesischen Etzel bauen lassen und betreiben wollte, mangels Nachfrage (2) von diesem Plan verabschiedet. Den am Standort Stade diskutierten Terminal auf dem Gelände des Chemiekonzerns Dow hält die Deutsche Umwelthilfe (DUH) laut einem jüngst vorgelegten Gutachten für schifffahrtsrechtlich und umweltrechtlich nicht genehmigungsfähig (3). Das Interesse möglicher Investoren scheint zudem auch dort nicht sehr groß zu sein.

Kundgebung gegen den Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel im Januar 2019 vor Schleswig-Holsteins Landesvertretung in Berlin.
Foto: (CC-BY) Uwe Hiksch / flickr
Bleibt Brunsbüttel, wo mitten zwischen Industrie- und Energie- sowie den Schleusen-Anlagen des Nord-Ostsee-Kanals ein Terminal entstehen soll, der laut Planung des niederländisch-deutschen Konsortiums German-LNG eigentlich schon 2022 in Betrieb gehen sollte. Aber auch hier gibt es massiven Widerstand – mit dem Hauptargument, dass (auch) dieses Vorhaben die Energiewende gefährde, weil damit eine völlig neue Infrastruktur geschaffen werde, die – mit staatlichen Subventionen massiv gefördert – das fossile Zeitalter in Deutschland unnötig verlängern würde. Zwar ist dergleichen schon lange nicht mehr wirtschaftlich; trotzdem soll auch der geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel mit rund 100 Millionen Euro staatlicher Subventionen gefördert werden (4). Zusätzlich sollen die Bürger als Erdgaskunden die Kosten für den Bau der Anbindungspipeline von Brunsbüttel ins rund 60 Kilometer entfernte Hetlingen (zum Anschluss an das überregionale Gasnetz) tragen, und zwar 90 Prozent der Bausumme und 100 Prozent des laufenden Aufwands für Betrieb und Unterhalt (5) – auch von diesen Kosten wird die German-LNG staatlicherseits befreit.
Entgegen den ursprünglichen Angaben der Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministeriums betragen laut Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (auf der Grundlage von Angaben der Bundesnetzagentur) die Kosten für den direkten Anschluss der drei in Norddeutschland geplanten LNG-Terminals an das Gasnetz etwa 200 Millionen Euro. Zusätzlich würden Kosten von bis zu 641 Millionen Euro für den Ausbau des bestehenden Gasleitungsnetzes nötig, damit das Netz das zusätzliche Erdgas aus den geplanten LNG-Terminals überhaupt aufnehmen und weiter transportieren kann (6).
Deutschland hat jetzt schon eine rund dreifache Überkapazität an Erdgas-Pipelines und Speicherkapazitäten, bezogen auf den heimischen Erdgasbedarf. Darüber hinaus sind die bereits bestehenden LNG-Terminals in Frankreich, Belgien und den Niederlanden nur zu einem geringen Teil ausgelastet und könnten über die schon bestehenden Pipelines auch Deutschland mit Erdgas aus LNG versorgen (7).
„Privat“-Wirtschaft?
Am Beispiel des geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel lässt sich gut erklären, was Schleswig-Holsteins Landesregierung und ihr Wirtschaftsminister, der liberale Anwalt Bernd Buchholz – einst auch als Verteidiger Niels Stolbergs aktiv –, unter „Privatwirtschaft“ verstehen:
1. Ein Konsortium bildet eine Firma, die einen LNG-Terminal bauen soll.
2. Das Vorhaben rechnet sich nicht, weil es zu klein ausfallen würde. Folge: Der bereits genehmigte Vielzweckhafen, der den Ausbau der Windenergie auf See unterstützen sollte, wird aufgegeben.
3. Der Terminal rechnet sich immer noch nicht. Folge: 50 Millionen Euro Landes- und weitere 50 Millionen Euro Bundes-Subventionen werden bereitgestellt.
4. Der Terminal rechnet sich immer noch nicht. Folge: 90 Prozent der Kosten für die Anbindungsleitung, die bisher von den Terminalbetreibern zu bezahlen gewesen wäre, muss jetzt (siehe Beitrag) der Gaskunde tragen; dazu 100 Prozent des laufenden Betriebs sowie 100 Prozent des Ausbaus der weiterführenden Gaspipelines, da diese die zusätzlichen Mengen der geplanten LNG-Terminals nicht aufnehmen können.
5. Der Terminal rechnet sich immer noch nicht. Folge: Die German LNG wird von der Pflicht freigestellt, als Netzinhaber den Terminal anderen interessierten Nutzern diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, und darf langfristige Pachtverträge abschließen. Dadurch entstehen wieder monopolartige Strukturen; ganz vorne mit dabei ist wieder einmal RWE.
6. Der Terminal rechnet sich immer noch nicht. Folge: Bisher wurde noch kein Antrag eingereicht, nach zahlreichen Verschiebungen soll jetzt im Laufe dieses Jahres die Investorenentscheidung getroffen werden. Da der Terminal nach Auffassung von Kritikern (siehe Beitrag) nicht genehmigungsfähig ist, könnte es auch deutlich länger dauern.
7. Die Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht einen Brief von Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz an seinen US-Amtskollegen Steven Mnuchin, in dem Scholz am 7. August 2020 der damaligen Trump-Regierung einen skandalösen Deal anbietet: Demnach sei die Bundesregierung bereit, eine Milliarde Euro deutsches Steuergeld als Förderung zu investieren, um Flüssigerdgas-Terminals an der norddeutschen Küste – gemeint waren damit wohl Brunsbüttel und Wilhelmshaven – zu errichten, über die dann US-Fracking-Gas nach Deutschland importiert werden solle. Im Gegenzug soll die US-Regierung ihren Widerstand gegen die russische Mega-Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 aufgeben (19).
Der LNG-Terminal in Brunsbüttel ist vor allem deshalb nicht genehmigungsfähig, weil er mitten zwischen dem abgeschalteten Atomkraftwerk mit einem Lager für schwachradioaktiven Atommüll, einem geduldeten Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll, einem Chemiepark mit extrem gefährlichen Chemikalientanks, in denen beispielsweise Phosgen gelagert ist, sowie einer modernen Sondermüllverbrennungsanlage errichtet werden soll (8). Letztere soll derzeit sogar noch erweitert werden. Zahlreiche Unfälle mit LNG-Terminals, erst im Herbst 2020 in Norwegen wegen unzureichender Wartung (9) oder in China (10), belegen die Gefährlichkeit derartiger Anlagen.
Während sich in Schleswig-Holstein die Basis der GRÜNEN mit Parteitagsbeschlüssen gegen den LNG-Terminal stellt, lässt der grüne Landesumweltminister Jan Philipp Albrecht die Voruntersuchungen für die geplante Anbindungspipeline trotz fehlenden Bauantrags für den LNG-Terminal schon einmal mit Androhung von Bußgeldern und Polizeieinsatz gegen Landwirte in der ökologisch sensiblen Elbmarsch durchdrücken (11).
Besonders brisant ist, dass der RWE-Konzern als bisher einziger bekannter möglicher Partner (12) für den Flüssigerdgas-Terminal sein LNG aus den Frackinggebieten der USA beziehen möchte und entsprechende Verträge dazu bereits abgeschlossen hat (13). So fördert die Landesregierung von Schleswig-Holstein den Ökozid in den USA und die immer schneller voranschreitende Klimakatastrophe mit staatlichen Finanzhilfen.
Ein vollständiges Verbot von Subventionen für fossile Energieträger ist dringend erforderlich: Wer diese Auffassung teilt, kann – und sollte – aktuell eine Petition an den Deutschen Bundestag unterzeichnen (14). Momentan werden jährlich 56 Milliarden Euro (15) Fördermittel in diese alte Technologie gepumpt – ohne dieses Geld wäre erneuerbare Energieerzeugung längst konkurrenzlos billig. Bereits jetzt lassen sich Kohlekraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betreiben, so dass selbst das neu gebaute Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg (16) auf Antrag des Betreibers Vattenfall nach nur sechs Jahren schon wieder vom Netz genommen wird – und selbst seine Abschaltung soll noch durch Steuergelder subventioniert werden (17).
Übrigens: Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, ist über einen Zeitraum von 20 Jahren rund 87fach klimawirksamer als Kohlendioxid. Dadurch ist LNG (Fracking-Gas aus den USA) mit seinen hohen Verlusten an Methan über die gesamte Prozesskette deutlich klimaschädlicher als Kohle und damit keine Brücke in eine ökologische Zukunft (7).
Ein schnellstmöglicher Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger ist unerlässlich. Der derzeitige Boom für neue fossile Infrastruktur betrifft nicht nur Erdgaspipelines und LNG-Terminals, sondern auch Gaskraftwerke. Begründet wird dies mit dem angeblich „sauberen“ Erdgas – doch diese Bezeichnung ist eine dreckige Lüge. Trotzdem planen etwa die Stadtwerke Flensburg laut Niederschrift der 19. Sitzung der Ratsversammlung vom 28. Mai 2020 eine Investition von 108 Millionen Euro in einen neuen Gaskessel als Ersatz für die Kohleverstromung (18), der überwiegend Strom produzieren soll, obwohl nur Wärme benötigt wird. Obwohl es in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg bereits jetzt ein Überangebot an regenerativ erzeugtem Strom gibt, soll mit massiven staatlichen Subventionen überflüssiger Strom mit einem fossilen Energieträger durch eine neu zu bauende Anlage erzeugt werden. So wird die Energiewende in Schleswig-Holstein zielgerichtet sabotiert. Die Zeche zahlen, wie immer, die Verbraucher und die Umwelt.
################
** – Dr. rer. nat. Reinhard Knof ist Chemiker und Vorsitzender
der als Umweltvereinigung anerkannten schleswig-holsteinischen Bürgerinitiative
gegen CO2-Endlager e. V. (http://www.keinco2endlager.de)
################
Anmerkungen:
- 1. siehe auch WATERKANT, Heft 2 / 2019, Seite 14 ff.
- 2. „Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven fehlen die Kunden“
- 3. DUH-Pressemitteilung vom 14. Januar 2021
- 4. Auskunft im Portal „Frag‘ den Staat“
- 5. DUH-Pressemitteilung vom 7. Juni 2019
- 6. DUH-Pressemitteilung vom 12. November 2020
- 7. „Klima der Gerechtigkeit“ vom 30. Juli 2020
- 8. Gutachten Cornelia Ziehm vom 15. April 2019
- 9. Feuer in norwegischer LNG-Anlage, Bericht vom 17. November 2020
- 10. Chinesischer LNG-Tanker explodiert, Bericht vom 14. Juni 2020
- 11. Duldungsanordnung für Voruntersuchungen vom 24. Juli 2020
- 12. Pressemitteilung RWE / German LNG Terminal vom 6. September 2018
- 13. Woodside, RWE ink 2-year LNG supply deal – Mitteilung vom 20. Dezember 2018
- 14. Petition auf change.org
- 15. UBA: Umweltschädliche Subventionen in Deutschland, Dezember 2016
- 16. siehe auch WATERKANT, Heft 1 / 2013, Seite 13 ff.
- 17. „Süddeutsche Zeitung“ vom 1. Dezember 2020
- 18. Ratsinfo Flensburg, Sitzung vom 28. Mai 2020, Niederschrift Seite 4 ff.
- 19. DUH-Enthüllung vom 9. Februar 2021