Weservertiefung: Keinen Dezimeter mehr!

Wie tief noch?“ – Die rund 30 Teil­neh­men­den der gest­ri­gen Bre­mer­ha­ve­ner Fach­ta­gung der Lin­ken zur Weser­ver­tie­fung waren sich einig: Kei­nen Dezi­me­ter mehr soll der Fluss den Inter­es­sen der mari­ti­men Wirt­schaft „ange­passt“, sprich: wei­ter aus­ge­bag­gert wer­den dürfen. 

Wegen Coro­na hat­te die Gäs­te­zahl im Bre­mer­ha­ve­ner „Kli­ma­haus“ – wie ange­kün­digt – limi­tiert wer­den müs­sen, dafür ist die Hybrid-Veranstaltung aber auf You­tube zu sehen. Orga­ni­siert hat die Tagung der nie­der­säch­si­sche Lan­des­ver­band der Par­tei sowie die Lin­ken aus Bre­mer­ha­ven. Vor allem aus den unmit­tel­bar betrof­fe­nen Land­krei­sen Weser­marsch, Cux­ha­ven und Oster­holz waren Akti­ve und Inter­es­sier­te erschie­nen – hin­ge­gen nicht aus der Stadt Bre­men, wo die Lin­ke der (auch für Bre­mer­ha­ven zustän­di­gen) Lan­des­re­gie­rung ange­hört und dafür in Sachen Weser­ver­tie­fung einem Kom­pro­miss zuge­stimmt hatte.

2016 hat­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss für das Vor­ha­ben für „rechts­wid­rig und nicht voll­zieh­bar“ erklärt. Anfang 2021 war dar­auf­hin der Beschluss amt­lich auf­ge­ho­ben und dafür ein neu­es Plan­ver­fah­ren auf den Weg gebracht wor­den. Wäh­rend die­ser neue Ver­tie­fungs­ver­such vor­be­rei­tet wird, wächst in der Regi­on Wider­stand gegen das äußerst umstrit­te­ne Vor­ha­ben. So hat sich etwa der Rat der Stadt Nor­den­ham in einem ein­stim­mi­gen Beschluss gegen die Ver­tie­fung ausgesprochen.

Die­ses und wei­te­re Bei­spie­le lie­fer­te – unter reger Betei­li­gung des Audi­to­ri­ums – Annet­te Chap­ligin vom BUND-Kreisverband Weser­marsch in ihrem ein­lei­ten­den Refe­rat. Zuvor hat­te sie aus­führ­lich die Funk­tio­nen des Flus­ses Weser für die Regi­on auf­ge­zeigt, unter ande­rem die Abläu­fe bis­he­ri­ger Ver­tie­fun­gen bilan­ziert: Inner­halb von knapp 100 Jah­ren ist die Fahr­was­ser­tie­fe im Bereich der Außen­we­ser Rich­tung Nord­see ver­dop­pelt, in der Unter­we­ser zwi­schen Bre­mer­ha­ven und Bra­ke um die Hälf­te ver­grö­ßert worden.

Ver­lie­rer und Profiteure

Chap­ligin lis­te­te exem­pla­risch auf, wel­che Schä­den für Natur und Mensch das bis­lang ange­rich­tet hat, sprach über Ver­sal­zung, Ver­schli­ckung oder Tidehub-Veränderung und deren Fol­gen. Sie erin­ner­te aber auch an gel­ten­de Rechts­nor­men der EU und des Bun­des, die dem geplan­ten Ein­griff eigent­lich ent­ge­gen­stün­den. Die benö­tig­ten Gel­der – Hun­der­te Mil­lio­nen Euro – für eine wei­te­re Aus­bag­ge­rung samt der Fol­ge­kos­ten für den Fluss, für Fische­rei, Tou­ris­mus, loka­le Wirt­schaft, für Küsten- und Kli­ma­schutz wer­den nahe­zu voll­stän­dig aus Steu­er­gel­dern bezahlt, feh­len also für wich­ti­ge sozia­le und kul­tu­rel­le Auf­ga­ben und machen so nicht nur die Küs­ten­re­gi­on zum Ver­lie­rer, son­dern das gesam­te Land. Pro­fi­teu­re indes sind Schiff­fahrts­un­ter­neh­men, die ohne­hin stark sub­ven­ti­ons­be­güns­tigt sind: Eine unglei­che Bilanz, deren Fort­set­zung – so die Über­zeu­gung aller Anwe­sen­den – drin­gend gestoppt wer­den muss.

Zumal, wie das Refe­rat des ehe­ma­li­gen Weser­lot­sen Micha­el Urlaub zeig­te, es auch aus nau­ti­scher Sicht erheb­li­che Beden­ken gegen die Ver­tie­fungs­plä­ne gibt: So erläu­ter­te er anschau­lich, dass in bestimm­ten Tras­sen­ab­schnit­ten ein Aus­bau an hydro­mor­pho­lo­gi­sche Gren­zen stößt, was das Manö­vrie­ren gro­ßer Schif­fe erschwert, den gewünsch­ten Effekt der teu­ren Maß­nah­me also dras­tisch min­dert. Die geplan­te wei­te­re Weser­ver­tie­fung mit der Situa­ti­on an der Elbe ver­glei­chend, for­der­te er ein Ende der Häfen­kon­kur­renz, mahn­te zur Koope­ra­ti­on und zu gemein­schaft­li­cher Nut­zung des Tief­was­ser­ha­fens in Wil­helms­ha­ven: Nur so sei der wach­sen­den Markt­macht der gigan­ti­schen Häfen in Rot­ter­dam und Ant­wer­pen ohne eben­so teu­ren wie unsin­ni­gen Aus­bau zu begegnen.

Debat­te ins Bin­nen­land tragen“

Umwelt­in­ge­nieur Muh­l­is Kocaa­ga, Stadt­ver­ord­ne­ter der Lin­ken in Bre­mer­ha­ven, knüpf­te in sei­nem abschlie­ßen­den Refe­rat an Aus­füh­run­gen Urlaubs an und erklär­te, wie Fließ­ver­hal­ten, Tide­dy­na­mik und Sedi­ment­trans­port des Flus­ses sich in Fol­ge wei­te­rer Ver­tie­fun­gen ver­än­dern wür­den. Ein­dring­lich beschrieb er die bio­lo­gisch akti­ve Rol­le von Schlick und Sand – „alles ande­re als tote Mate­rie“ – und wie künf­ti­ge Aus­bag­ge­rung die Sali­ni­tät des Was­sers ver­än­dern wür­de: zum Nach­teil nicht nur von Land­wirt­schaft oder Tou­ris­mus, son­dern der gesam­ten Bio­di­ver­si­tät des Flus­ses samt angren­zen­der Ufer- und Küstenregionen.

Etwas zu kurz kam in der äußerst infor­ma­ti­ven Ver­an­stal­tung lei­der die stra­te­gi­sche Debat­te, wie die geplan­ten Ver­tie­fun­gen zu ver­hin­dern sei­en. Ex-Lotse Urlaub schlug vor, die Debat­te breit gefä­chert ins Bin­nen­land zu tra­gen. Unter Bezug­nah­me auf die äußerst umstrit­te­ne Neu­re­ge­lung, dass über die Maß­nah­me nicht mehr per beklag­ba­rem Plan­fest­stel­lungs­be­schluss, son­dern unter Aus­schal­tung der gericht­li­chen Über­prü­fung im Bun­des­tag ent­schie­den wer­den soll, mahn­te Urlaub, die­je­ni­gen, die letzt­lich zu ent­schei­den hät­ten, säßen halt in allen Wahl­krei­sen der Repu­blik und dies oft ohne fun­dier­te Sach­kennt­nis über die detail­lier­ten Zusam­men­hän­ge einer Weser­ver­tie­fung. Die Idee Urlaubs ist bei wei­tem nicht die schlech­tes­te – aber so vor­zu­ge­hen, wird eine schwe­re Auf­ga­be nicht nur für die Linke.

Eine ähn­li­che Ver­si­on die­ses Bei­trags ist auch
am 26. Janu­ar in der Tages­zei­tung „jun­ge Welt“ erschienen.

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WATERKANT-Redaktion