ver.di Hamburg: Erneut gegen Tonnagesteuer

Der Lan­des­fach­be­reichs­lei­ter Ver­kehr der Gewerk­schaft ver.di, André Kret­sch­mar, hat in der ver­gan­ge­nen Woche in einer Pres­se­mit­tei­lung die For­de­rung erho­ben, die Ree­de­rei­en „end­lich wie ande­re Unter­neh­men auch“ zu besteu­ern. Aktu­el­ler Anlass war der bevor­ste­hen­de Beginn der bun­des­wei­ten ver.di-Aktion wöchent­li­cher Mahn­wa­chen für die Kitas: „Kitas, Schu­len, Kran­ken­häu­ser, Flücht­lings­un­ter­künf­te äch­zen unter den Kos­ten, wäh­rend die Ree­der ihre Macht in den Ver­kehrs­ket­ten ausbauen.“ 

Es ist nicht das ers­te Mal, dass bei Ham­burgs mari­ti­men Gewerk­schaf­tern der Ruf nach einem Ende der Reeder-Subventionierung unter ande­rem durch die so genann­te Ton­na­ge­steu­er laut wird. Bereits vor rund fünf Jah­ren hat­te es bei ver.di in Ham­burg einen Vor­stoß gege­ben, die­se so genann­te Ton­na­ge­steu­er eben­so wie ande­re Ree­der­sub­ven­tio­nen zu stop­pen bezie­hungs­wei­se an Bedin­gun­gen zu knüp­fen, um etwa Aus­bil­dung und Beschäf­ti­gung zu för­dern. Die­se Initia­ti­ve hat­te es zwar nach lang­wie­ri­gem Weg durch die gewerk­schaft­li­chen Gre­mi­en als Antrag J 058 auf den jüngs­ten ver.di-Bundeskongress geschafft, war dort aber Ende Sep­tem­ber die­ses Jah­res nur als „Arbeits­ma­te­ri­al“ zur Wei­ter­lei­tung an den Bun­des­vor­stand ange­nom­men wor­den. Eine Anfra­ge an ver.di, wie‘s wei­ter­geht, blieb bis­lang lei­der unbeantwortet.

In sei­ner Pres­se­mit­tei­lung mahn­te Kret­sch­mar ver­gan­ge­ne Woche wört­lich: „Mit der Ton­na­ge­steu­er geht dem Gemein­we­sen Geld ver­lo­ren, das für eine aus­kömm­li­che Finan­zie­rung der Infra­struk­tur, auch der sozia­len Infra­struk­tur, drin­gend gebraucht wird.“ Aus­drück­lich bezieht er sich dabei auf den umstrit­te­nen Plan, der Gen­fer Mega-Reederei Medi­ter­ra­ne­an Ship­ping Com­pa­ny (MSC) einen Anteil von 49,9 Pro­zent an der bis­lang lan­des­ei­ge­nen Hafen­ge­sell­schaft HHLA zu über­las­sen; bereits Ende Sep­tem­ber hat­te der Gewerk­schaf­ter im Kon­text einer star­ken Demons­tra­ti­on meh­re­rer tau­send Hafen­be­schäf­tig­ter die­se Absicht der Ham­bur­ger Lan­des­re­gie­rung scharf kri­ti­siert: Der Senat habe „in einer über­fall­ar­ti­gen Wei­se … klamm­heim­lich einen ris­kan­ten Deal ein­ge­fä­delt“. Aktu­ell ver­weist Kret­sch­mar auf die „jetzt bekannt gewor­de­nen Finanz­re­ser­ven … (von MSC) … in Höhe von 60 Mil­li­ar­den Euro“. Allein 2022 habe der Gen­fer Kon­zern „nach den aktu­el­len Zah­len 36 Mil­li­ar­den Euro Gewinn“ ver­zeich­net, „2021 waren es 40 Mil­li­ar­den Euro“.

Skur­ri­le Anti-Subventions-Front…

Mit ihren wie­der­hol­ten Vor­stö­ßen sehen sich die Ham­bur­ger Gewerk­schaf­ter in einer fast schon skur­ril zu nen­nen­den Pha­lanx: Im Herbst ver­gan­ge­nen Jah­res hat­te – einer­seits – die Ham­bur­ger Bür­ger­schafts­frak­ti­on der LINKEN gegen die Ton­na­ge­steu­er mobi­li­siert, war im Lan­des­par­la­ment jedoch mit einem ent­spre­chen­den Antrag geschei­tert. Ande­rer­seits hat­ten jüngst sowohl Rolf Hab­ben Jan­sen, Chef der Ree­de­rei Hapag-Lloyd, als auch deren Mit­ei­gen­tü­mer, der Mil­li­ar­där Klaus-Michael Küh­ne, deut­li­che Kri­tik an die­ser steu­er­li­chen Son­der­re­ge­lung geäu­ßert: 2022 etwa strich Küh­ne knapp 1,9 Mil­li­ar­den Euro Divi­den­de für sei­ne Reederei-Anteile ein, weil Hapag-Lloyd auf sei­nen 9,4-Milliarden-Euro-Gewinn des Jah­res 2021 nur 0,65 Pro­zent Ton­na­ge­steu­er hat­te zah­len müs­sen. Küh­ne hat­te die­se Divi­den­de in der Mor­gen­post „wesent­lich zu viel“ genannt, Hab­ben Jan­sen gab sich bei Vor­la­ge einer Zwi­schen­bi­lanz im Herbst ver­gan­ge­nen Jah­res etwas mode­ra­ter: Es kön­ne even­tu­ell „fair“ sein, an die­sem Sys­tem etwas zu ändern.

Fakt ist: Die so genann­te Ton­na­ge­steu­er – sie rich­tet sich nicht nach erziel­tem Gewinn, son­dern nach der Net­to­ton­na­ge der Schif­fe – ist nicht nur für Finanz­ex­per­ten ein Unding; im Mari­ti­men Clus­ter Nord­deutsch­land etwa kri­ti­sier­te jüngst ein Steu­er­be­ra­ter, sie pas­se „so gar nicht in unse­re deut­sche Steu­er­sys­te­ma­tik“. Sie hat auch nie­mals ihr Ziel erreicht, die so genann­te Aus­flag­gung von Schif­fen zu stop­pen: 1998/99, bei ihrer Ein­füh­rung durch die SPD-Grünen-Regierung Schrö­der, fuh­ren laut einer Sta­tis­tik des Ver­bands Deut­scher Ree­der (VDR) 43,6 Pro­zent der deut­schen Han­dels­ton­na­ge (BRZ) unter eige­ner Flag­ge. Die Sub­ven­tio­nie­rung soll­te die­sen Anteil stei­gern hel­fen, aktu­ell sind es jedoch nach Anga­ben des Bun­des­amts für See­schiff­fahrt und Hydro­gra­phie (BSH) nur knapp 19,1 Prozent.

Übri­gens: Der jüngs­te Sub­ven­ti­ons­be­richt der Bun­des­re­gie­rung ver­zeich­net für die Jah­re 2021-23 Steu­er­min­der­ein­nah­men durch die Ton­na­ge­steu­er in Höhe von 21,26 Mil­li­ar­den Euro.

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WATERKANT-Redaktion